Der Schulmeister und die Bratwürste
- Kirchfarrnbacher Schule 16562 bis 1969 -
 
 
 
 
 
Eva bringt dem Schulmeister Eier mit
Michael legt ein Bündel Bratwürste hin
     
Manuskripttext    
     
 

[Es wirken mit: Schulmeister, Eva, Berta, Michael, Friedrich und Sandreutherin]

Sprecher: Etwa fünfzig Jahre nach der Erbauung des Turms wurde mit Pfarrer Kerer in Kirchfarrnbach die Reformation eingeführt. Die Bibel rückte in den Mittelpunkt des Glaubenslebens. Man musste sie lesen können. Lesen muss man lernen. Dafür braucht man einen Lehrer und eine Schule.

Eine Notiz aus dem Jahr 1562 im Pfarrarchiv zeigt, dass es schon damals einen Lehrer in Kirchfarrnbach gab, denn es heißt dort: „Item des Schulmeisters Besoldung“. Unterrichtet wurde bis 1865 im Torhaus, das am südlichen Kirchhofeingang stand. Dann zogen die Schüler um in das neue große Schulhaus nördlich der Kirche. 1969 wurde die Kirchfarrnbacher Schule aufgelöst und die Kinder mussten nach Wilhermsdorf. Es wurde also mindestens 407 Jahre lang in Kirchfarrnbach unterrichtet.

Die Lehrer bekamen wenig bezahlt und mussten zusätzlich eine kleine Landwirtschaft betreiben. Zudem hatten sie die Gemeindeschreiberei und den Organistendienst zu machen.

Der Kirchfarrnbacher Dreigesang führt uns nun in einem Lied vor, wie es so einem früheren Dorfschulmeister erging. „Das arme Dorfschulmeisterlein“

DG: In einem Dorf im Schwabenland

Sprecher: Dieses Lied hat ein humorvoller Lehrer gegen Ende des 19. Jahrhunderts verfasst. Er wurde deswegen seines Postens enthoben. So streng waren die Sitten in der guten alten Zeit!

Auch in Kirchfarrnbach hat sich einer der ersten Lehrer, der hauptberuflich ein Schneider war, recht unbeliebt gemacht. 1608 beschwerten sich die Kirchfarrnbacher beim Neuhöfer Vogt über ihren Lehrer. Der würde nur die Kinder von reicheren Eltern unterrichten und dies nur so lange, Zitat, „bis die Bratwürste ein Ende genommen.“ Der Vogt antwortete: „So wollet ihr den unfleißigen Schulmeister abschaffen und mit Vorwissen des Herrn Pfarrers den anderen Tüchtigeren annehmen und einbinden, dass er neben seiner Verrichtung bei der Kirche auch die Kinder fleißig unterrichte.“

Und so könnte es sich bei dem ungeliebten und höchst unbeliebten „unfleißigen Schulmeister“ vor 400 Jahren zugetragen haben.

(Vorhang auf. Rechts zwei Schultische mit Stühlen, links ein Lehrerpult, an dem der Schulmeister sitzt und an einem Rock mit der Hand näht, die Schüler betreten nacheinander die Bühne.)

Eva: Guten Morgen, Herr Lehrer! (Legt ein Körbchen mit vielen Eiern auf den Lehrertisch und geht zu ihrem Platz)

Lehrer: (zählt flüchtig die Eier) Des geht!

Michael: Guten Morgen, Herr Lehrer! Da! (Legt ein Bündel Bratwürste auf den Tisch)

Lehrer: (zählt die Bratwürste) Na ja, könnte reichen!

Berta: Guten Morgen, Herr Lehrer! Die sind ganz frisch von heute früh! (Legt etwas weniger Eier auf den Tisch)

Lehrer: (zählt flüchtig die Eier) Berta, sag zu Hause, dass die Eva wieder mehr Eier mitgebracht hat als du. Da glauben ja die Leute, ihr seid arme Hunde. Das wollen wir doch nicht haben.

F: Guten Morgen, Herr Lehrer! (Legt eine Bratwurst auf den Lehrertisch.) Das ist unsere letzte! Morgen kann ich keine mehr mitbringen!

Lehrer: Ja Fritz, du weißt doch, dass du dann morgen nicht mehr kommen kannst. Das geht erst wieder, wenn ihr geschlachtet habt. Gehst halt so lange zum Farrnbacher Vieh hüten.

Friedrich: (schüchtern) Jawohl, Herr Lehrer! (setzt sich)

Lehrer: (Näht noch einige Zeit und legt seine Nähsachen weg) So, die Hose des Gemeindevorstehers ist fertig. Ihr habt wohl gedacht, dass ihr heute wieder nur herumsitzen dürft und nichts tun müsst, ihr Faulpelze!

Gestern habe ich mich sehr über euch geärgert. „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ habt ihr beim Pfarrer gelernt und was macht ihr verlogene Bande? Ihr geht zum Pfarrer und lügt ihm vor, dass ich mich während seiner Predigt von der Orgel rüber zum Schmidt ins Wirtshaus gesetzt hätte! Das ist eine Lüge und eine Verleumdung!

So und jetzt schaut einmal her. (hält eine irdene Schnapsflasche hoch) Wer von euch kann mir sagen, wie viel Schnaps noch in der Flasche ist? ... Niemand? ... Ich auch nicht. Und so kann es halt einmal vorkommen, dass ausgerechnet während der Predigt die Schnapsflasche leer wird. Das kann jedem passieren. So habe ich eben schnell zum Schmidt hinüber gemusst, um sie mir auffüllen zu lassen. Es ist deshalb eine Lüge und eine Verleumdung, wenn jemand sagt, dass ich mich ins Wirtshaus gesetzt hätte. Außerdem war ich beim Amen ja wieder da. Das kann nur einer von euch gewesen sein, denn der Pfarrer kann mich von der Kanzel aus gar nicht sehen!

Michael: Ich habe dem Pfarrer nichts verraten, Herr Lehrer!

Lehrer: (flucht) Wie oft soll ich euch Dummköpfen denn noch sagen, dass ihr hier in der Schule nicht Pfarrer sondern Herr Lokalschulinspektor sagen müsst. Der Lehrer ist so etwas ein Knecht des Pfarrers, er wird von ihm eingestellt, bezahlt und, wenn ihr weiterhin so unhaltbare Lügen über mich erzählt, auch entlassen. Dann ist es mit eurem schönen Leben aber hier vorbei und ihr müsst dann wie die vielen anderen Kinder in der Früh mit dem Dreschflegel dreschen und in der Hitze auf den Äckern das Unkraut heraushacken.

Ja, ja. unser scheinheiliger Michael tut so unschuldig. Und wer hat dem Pfarrer vorgelogen, dass ich dir mit dem Stock so auf den Kopf geschlagen hätte, dass du eine Beule so groß wie eine Walnuss bekommen hättest? Wo ich dich doch nur ganz liebevoll mit dem Stöckchen gestreichelt habe? (sieht unter dem Hut nach) Die ist höchstens so groß wie eine Haselnuss! Soll ich dir mal zeigen, was Schläge sind?

Michael: (ängstlich) Nein, nein! Ich habe dem Herrn Schulinspektor nur gesagt, dass ich an die Türe gestoßen bin.

Lehrer: Du sollst nicht schon wieder lügen! Zur Strafe darfst du heute meine Kuh und mein Schwein nicht füttern!

Und euch verlogene Bande soll auch das Lügen vergehen! Zur Strafe wird heute gerechnet!

(sieht zum Fenster hinaus) Der Pfarrer hört nicht draußen heimlich zu. Da brauchen wir jetzt nicht zu beten.

Lehrer: Also, dann fangen wir mit dem Rechnen an. Was machen wir jetzt? Eier sind da. Bei Eiern rechnet man mit dem Dutzend. Dafür habt ihr aber zu wenige mitgebracht und außerdem seid ihr zu blöd dazu.

Fangen wir damit an (hält ein Paar Bratwürste hoch). Das sind ein Paar Bratwürste, Paar schreibt man groß und mit zwei a, ein Paar sind zwei Stück. Eva schreib das auf Michaels Tafel!

(verweist auf die Tafelanschrift: 1 Paar = 2 Stück, das seit einem Jahr auf der Tafel steht)

Lehrer: (sieht sich das Geschriebene auf Michaels Tafel an. Zu Eva:) Du blöde Kuh! Hast du noch nie etwas von einem Istgleichzeichen gehört?

Eva: Das bringe ich nicht sauber weg! Dem Michael sein Schwamm ist zu trocken, Herr Lehrer!

Lehrer: Also darauf spucken kannst doch wohl selber, oder muss ich dir auch noch zeigen, wie das geht?

Lehrer: (füllt sich aus einer Schnapsflasche etwas in ein Gläschen und spricht:) Nach der Orgel in die Gorgel! (trinkt aus)

Wie viel Stück sind drei Paare?

(alle melden sich bis auf Friedrich. Lehrer ruft Eva auf)

Eva: Sechs Stück, Herr Lehrer!

Lehrer: Wie viel Paare sind 10 Stück?

(alle melden sich bis auf Friedrich. Lehrer ruft Michael auf)

Michael: So an die fünf Paare, Herr Lehrer!

Lehrer: Sind es jetzt fünf oder nicht?

Michael: Fünf Paare, Herr Lehrer!

Lehrer: (füllt sich aus einer Schnapsflasche etwas in ein Gläschen und spricht:) Auf des fette Fleisch brauch ich noch einen. Auf einem Bein kann man nicht stehen. Nach der Orgel in die Gorgel! (trinkt aus)

Lehrer: Und wie viel Stück sind vier Paare und deine einzige dazu, Fritz?

Friedrich: (rechnet mühsam mit den Fingern, schließlich:) Fünf Stück, Herr Lehrer!

Lehrer: Falsch, du Dummkopf! Berta!

Berta: Neun Stück, Herr Lehrer!

Lehrer: Also Fritz, extra für dich eine ganz einfache Aufgabe: Wie viel Stück sind ein Paar Bratwürste und eine dazu?

Friedrich: (rechnet mühsam mit den Fingern, schließlich:) Zwei Stück, Herr Lehrer!

Lehrer: Solch dumme Kinder wie du können nicht in die nächste Klasse aufsteigen! Die bleiben sitzen! Ein Paar und ein Stück sind drei Stück! Idioten wie du gehören gar nicht in die Schule! Also sag es jetzt wenigstens richtig nach!

Friedrich: (zögert, dann:) Idioten wie du gehören gar nicht in die Schule!

(Eine Glocke läutet. Michael eilt zur Türe)

Michael: Herr Lehrer, dem Fritz seine Mutter ist da!

Lehrer: Soll reinkommen! (steht auf und begrüßt Mutter) Grüß dich Gott, Sandreutherin.

Sandreutherin: Grüß Gott, Herr Lehrer. Ist das denn wirklich so schlimm mit meinem Fritzla? (beginnt zu weinen) Muss der wirklich sitzen bleiben? (reicht ihm die Tasche)

Lehrer: (schaut in die Tasche, langt hinein und zieht eine Ente heraus und hält sie vor sich hin) Deinen Verstand hättest ihm halt vererben müssen! Aber wenn das so ist, dann kannst du beruhigt sein. Der braucht morgen nicht zum Farrnbacher Vieh hüten und bleibt auch nicht sitzen. Denn wie heißt das Sprichwort? Ente gut, alles gut!

(Vorhang zu)

 
 
 
 
Der Schulmeister droht Michael mit dem Stock
 
Schulmeister tröstet Sandreutherin: "Ente gut, alles gut!"
 
     
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