[Es
wirken mit: Sprecher, Gemeindevorsteher Leonhard Köninger,
Mitglieder der Gemeindeverwaltung Hufnagel und Enßner,
Schulmeister Graf, Müllermeister Pfettner und eine
Frauenstimme]
Sprecher:
„Kirchfarrnbacher
Pfarrer vom Oberndorfer Bauern verprügelt!“
- so hätte es 1575 auf den Titelseiten der Fränkischen
Landeszeitung oder den Fürther Nachrichten geheißen,
wenn es sie damals schon gegeben hätte. Und darunter
hätten wir folgendes lesen können: Der
Kirchfarrnbacher Pfarrer Keßler, welcher des Nachts
etwas betrunken von einer Hochzeit heimging, wurde vom
Oberndorfer Bauern Kunz Löslein heimtückisch
angefallen und geschlagen. Der Geistliche überlebte
diesen heimtückischen Überfall schwer verletzt.
Wie
konnte es dazu kommen? Damals vor 425 Jahren war sehr
vieles anders. Kirchensteuer im heutigen Sinn gab es
keine. Pfarrei und Kirche besaßen dafür Äcker,
Wiesen, Weiher, Wälder und auch Höfe. Unsere
Mühle zum Beispiel gehörte der Kirchfarrnbacher
und der Oberreichenbacher Pfarrei je zur Hälfte.
Von all diesen mussten Abgaben an die Pfarrei und die
Kirche geliefert werden.
Sprecherin:
Man nannte diese Abgaben Zehent. Neben der Läutkorngarbe
für den Mesner und den Zehrgeldern bekam die Kirchfarrnbacher
Pfarrei den Klein-, Obst- und Blutzehent. Also immer
den zehnten Teil der Ernte, stark vereinfacht erklärt:
Also jede zehnte Erbse, jede zehnte Garbe Flachs, jeder
zehnte Apfel, jede zehnte Birne, jedes zehnte Huhn,
jedes zehnte Lamm, jedes zehnte Schwein usf. mussten
der Pfarrei gegeben werden. Ausnahmen gab es jedoch
viele und so gab es keine zwei Anwesen mit denselben
Abgaben.
Sprecher:
Dadurch waren Streitfälle sozusagen vorprogrammiert.
So verweigerte der Oberndorfer Kunz Löslein hartnäckig
die Abgaben an den Pfarrer. Der meldete ihn an die Obrigkeit
und Löslein wurde schließlich fünfzehn
Tage lang in den Turm zu Heilsbronn bei Wasser und Brot
gesperrt und angekettet. Auf Drängen seiner Angehörigen
schwor er am 2. Mai 1575 schließlich, dass er
sich nun mit dem Pfarrer vertragen wolle. Dadurch kam
er frei. Seinen Eid aber hielt er nur drei Jahre.
Sprecherin:
Pfarrer und Lehrer in einem Ort wie Kirchfarrnbach waren
keine Einheimischen, sie wurden auf Grund ihrer Bewerbung
von der Obrigkeit in das Dorf versetzt. Sie waren Amtspersonen.
Im Bewusstsein der Einheimischen stellten sie so etwas
wie die Vertretung der Obrigkeit dar, zu der man aufzublicken
hatte. Regte sich nun Unmut über die Regierung
in der Bevölkerung, so bekamen das als erste Pfarrer
und Lehrer zu spüren.
Sprecher:
Das war auch bei der Revolution von 1848 der Fall. Während
die Keidenzeller versuchten, die Cadolzburg zu erstürmen,
verprügelte man hier den Lehrer Graf so sehr, dass
für lange Zeit die Schule ausfallen musste. Auch
Pfarrer Lips bekam den Zorn der Bevölkerung zu
spüren. Man stellte sein Gartenhäuschen mitten
in den Dorfweiher. So sah also die 48-er Revolution
in Kirchfarrnbach aus!
Unser
nächster Sketch handelt von einem Geschehen bei
der Mühle. Wie singen nun alle die 5. und 7. Strophe
unseres Farrnbachliedes.
Alle:
Farrnbachlied, 6. und 7. Strophe (Seinen Ursprung,
Treu verrichten)
Sprecher:
Dieser Pfarrer Lips war es, der in der Mitte des 19.
Jahrhunderts immer wieder die Sittenlosigkeit der Kirchfarrnbacher
anprangerte. Er wetterte gegen die Silvesterknallerei,
die Völlerei, gegen die Unzucht
und die Unmäßigkeit bei
der Kirchweih, vor allem da gegen die unsittliche
Tanzmusik, beklagte die Zunahme der Zahl der
unehelichen Kinder und bedauerte, dass
die Leichenfeiern oft zu Trinkgelagen herabgewürdigt
würden.
Sprecherin:
Der Pfarrer war nach wie vor Respektsperson,
jedoch arbeitete man oft versteckt gegen ihn. Das zeigt
auch folgender Vorfall aus dem Jahr 1854. Der
Müllermeister Pfettner ließ nämlich
seine Hühner, Enten und Tauben auf die Pfarrwiese
und den Pfarracker, die dort Schaden anrichteten. Nachdem
Pfarrer Lips vergeblich mit dem Müller gesprochen
hatte, wandte er sich schließlich mit einem Beschwerdebrief
an die Gemeindeverwaltung.
Sprecher:
Dieses indirekte Eingeständnis der eigenen Schwäche
war eine willkommene Gelegenheit, es dem Herrn
Pfarrer einmal zu zeigen! Der Bürgermeister
Köninger ließ nun erst einmal zwei Wochen
verstreichen, bis er etwas unternahm. Dann begab er
sich mit zwei Mitgliedern der Gemeindeverwaltung, Hufnagel
und Enßner, und dem Schulmeister Graf zur Mühle,
um dort an Ort und Stelle amtlich festzustellen, ob
die Hühner, Enten und Tauben des Müllers wirklich
auf der Pfarrwiese und dem Pfarracker sind und um den
angeblichen Schaden zu schätzen.
Wir
können annehmen, dass dem Müllermeister Pfettner
dieses Vorhaben bereits zwei Wochen vorher heimlich
mitgeteilt wurde. So konnte er seine Enten, Hühner
und Tauben rechtzeitig wegsperren und das Gras der Pfarrwiese
konnte in den zwei Wochen nachwachsen.
(Diese
vier laufen durch das Zelt in Richtung Bühne; Vorhang
auf)
Pfettner:
Da kommen sie! Frau, ist alles drinnen und alles zu?
eine
Frauenstimme: Ja!
Pfettner:
Schau lieber noch einmal nach, ob alle Türen wirklich
fest zu sind, vor allem beim Taubenschlag, beim Hühnerstall
und beim Entenstall!
eine
Frauenstimme: Ja!
(Köninger,
Hufnagel, Enßner und Graf kommen zur Bühne)
Pfettner:
(legt Säcke zusammen und blickt auf) Ist
das aber eine Überraschung! So ein hoher Besuch!
Ihr wollt sicher schauen, ob der Bach wieder das Ausputzen
braucht!
Köninger:
Nein, wir sind da, weil dich jemand bei der Gemeinde
angezeigt hat!
Pfettner:
Mich? Meine Gewichte stimmen genau, und die Waage tut
es auch. Die sind erst vor einem halben Jahr kontrolliert
worden! Kommt nur herein und schaut nach!
Köninger:
Wir sind nicht wegen deiner Wiegerei da. Herr Lehrer,
lesen Sie bitte vor!
Graf:
Wie jedermann weiß, besitzt der Pfarrer sowohl
eine Wiese ganz nahe auf die Wohnung des Müllermeisters
Pfettner stoßend, in welcher das ganze Jahr hindurch
die Hühner und Enten desselben das Gras niedertreten
und Schaden bringen, sondern auch einen Acker mit Weizen,
in welchem Tauben, Hühner und Enten den ganzen
Tag hausen und, wie bekannt ist, großen Verlust
an Körnern zufügen. Mein Sohn suchte sie durch
Schreckschüsse aus einem kleinen Terzerol zu verscheuchen,
was niemanden einen Schaden bringt, auch dem Müllermeister
nicht. Demungeachtet hat aber Müllermeister Pfettner
meinen Sohn bei dem Gensdarmen angezeigt, der ihm das
Schießen verbot, so dass also mein Weizen ganz
und gar dem Geflügel des Müllermeisters Preis
gegeben wäre, der die Hühner durch seine Kinder
aus seinem eigenen Weizenacker heraustreiben lässt,
die dann auf meinem Acker Nahrung suchen.
...und so weiter und so weiter...
So ersuche ich den Vorsteher (...) dem Müllermeister
Pfettner zu bestellen, auf der Stelle seine Tauben,
Hühner und Enten bis nach der Ernte einzusperren.
Geschieht das nicht, so ist bis morgen die Beschwerde
im Königlichen Landgericht angebracht.
...und so weiter und so weiter...
Kirchfarrnbach, den 31. Juli 1854
Lips
Pfettner:
Das ist alles erfunden und erlogen!
Hufnagel:
Das war ja schon vor zwei Wochen!
Köninger:
Das Sprichwort sagt: Gut Ding braucht seine Weil. Außerdem
haben wir ja noch den Enßner aus Dürrnfarrnbach
einladen müssen. So ein großer Bauer hat
nicht immer Zeit. Und der Herr Kantor auch nicht!
Also, um es kurz zu machen: Schaut euch die Wiese und
den Acker an, stellt fest, ob die Hühner, Enten
und Tauben vom Müller drauf sind und wenn ja, dann
schätzt die Schadenssumme!
Hufnagel:
Nun ja, nach zwei Wochen...
Pfettner:
Ja schaut euch nur um. Alles ist erfunden und
erlogen! Keine Taube, keine Henne, keine Ente!
Alle:
(schauen sich um, bücken sich)
Graf:
Sogar Spatzen gibt es keine! Aber auf meinem
Schulacker...
Köninger:
...Also, könnt ihr irgend ein Tier vom Müller
oder einen Schaden auf der Pfarrwiese feststellen? Ich
nicht!
Alle:
(schütteln mit dem Kopf)
Graf:
(schreibt bereits)
Köninger:
Also, Herr Kantor, dann schreiben Sie ins Protokoll:...
Pfettner:
Der Herr Pfarrer ist ein Lügner!
Köninger:
So dürfen wir das nicht schreiben! Das muss amtlich
aussehen und geht vielleicht an das Königliche
Landgericht!
Pfettner:
Der Pfarrer hat geschrieben, dass ich seinen
Sohn bei den Gendarmen angezeigt hätte. Das habe
ich nicht getan. Auch ist kein Tier von mir auf seinem
Grundstück. Nichts ist wahr. Und wer die Unwahrheit
sagt, der ist er ein Lügner!
Köninger:
Das müssen wir galanter formulieren! (denkt
nach)
Graf:
Ich habe inzwischen etwas geschrieben. Darf
ich einmal vorlesen?
Köninger:
(stimmt
zu)
Graf:
Die unterzeichneten Gemeindeverwaltungsmitglieder haben
nun heute den Mühlacker und die Mühlwiese
wirklich in Augenschein genommen, den Pfarrer Lips auch
dazu berufen...
Pfettner:
(ruft dazwischen) Der hat sich nicht mit her
getraut!
Graf
(weiter): sich aber
überzeugt, dass das Gras auf dieser Wiese und auch
der Weizen auf diesem Acker nicht im Geringsten beschädigt
sind, ja sogar die Sperlinge, welche sich häufig
in der, den Pfarracker auf der einen Seite (nordwestlich)
umgebenden Hecke aufhalten, mochten nicht einhauen und
einfallen.
Die
Anzeige vom 31. Juli vom Pfarrer Lips muss daher die
Gemeindeverwaltung als ganz ungerecht und grundlos erklären;
dem Müllermeister Pfettner aber ... aller Schuld
und Strafe freisprechen.
Müllermeister
Pfettner beharrt noch auf der Bemerkung, dass die Beschuldigung:
„Er habe den Pfarrerssohn bei den Gensdarmen wegen
Schießen angezeigt“ so lange eine Lüge
bleibt, bis es bewiesen ist.
Köninger:
So hätte ich es auch geschrieben. So kann man es
lassen. (Er unterschreibt zuerst, dann Hufnagel und
dann Enßner)
Pfettner:
Da habt ihr den Pfarrer zu gut wegkommen lassen. Trotzdem,
wir haben heute so ein durstiges Wetter. Ich spendiere
jedem eine Maß beim Riegel!
(Alle gehen. Vorhang zu)
|