Heute am Volkstrauertag gedenken wir der Gefallenen 
                            beider Weltkriege, im Grunde genommen der Toten aller 
                            Kriege.
                          In 
                            seiner Rede von 1996 fragt Bundespräsident Roman 
                            Herzog: Warum diese Rückschau, warum diese Gedenktage?
                            Warum der Wille, die Erinnerung lebendig zu halten? 
                            
                            Wäre nicht auch der Wunsch verständlich, 
                            Gewesenes zu vergessen, die Wunden vernarben und die 
                            Toten ruhen zu lassen.
                          Tatsächlich 
                            könnte heute Vergessen eintreten, denn Zeitzeugen 
                            sterben und immer weniger Opfer können das Grauen 
                            des Erlittenen persönlich weiter tragen. 
                            Geschichte verblasst schnell, wenn sie nicht Teil 
                            des eigenen Erlebens war. Deshalb geht es darum, aus 
                            der Erinnerung immer wieder lebendige Zukunft werden 
                            zu lassen. Wir wollen nicht unser Entsetzen konservieren. 
                            Wir wollen Lehren ziehen, die auch künftigen 
                            Generationen Orientierung sind. 
                          
                            Als ich mir Gedanken zum heutigen Tag machte, las 
                            ich in einem, als Satire verfassten Schulaufsatz von 
                            Ludwig Thoma:
                            Wenn der Krieg angegangen ist, spielt die Musik. Die 
                            Menschen singen dann auf der Straße und weinen. 
                            Man nennt dies die Nationalhymne. Dann beginnt der 
                            eigentliche Teil des Krieges, welchen man Schlacht 
                            heißt. Es wird geschossen und es werden Leute 
                            umgebracht. Alle sagen, dass es traurig ist, dass 
                            so etwas sein muss, aber die welche gesund bleiben, 
                            trösten sich, weil es doch der schönste 
                            Tod ist …
                          
                            Aber die Toten der Gedenktafeln wollen uns sagen: 
                            Macht uns nicht zu Helden. Dass wir Opfer wurden, 
                            ist schlimm genug. Wir hätten lieber als Menschen 
                            weitergelebt wie ihr. 
                          Es 
                            wird den Frauen und Müttern auch kein Trost gewesen 
                            sein, wenn sie die Nachricht erhielten:
                          Für 
                            Ehre und Ruhm - für Volk und Vaterland gefallen. 
                            
                          Wenn 
                            wir also an einem Tag wie heute der Opfer von Krieg 
                            und Gewalt gedenken so sollte unsere Aufmerksamkeit 
                            nicht bei den Toten enden, denn ein Krieg bringt Angst 
                            und Schrecken über die ganze Bevölkerung.
                          Deshalb 
                            will ich nicht nur an die erinnern, die in die Kriege 
                            zogen, sondern auch an die, die zurückblieben. 
                            
                          Besonders 
                            denke ich an die Frauen, die plötzlich die Verantwortung 
                            für das alltägliche Leben zu übernehmen 
                            hatten. 
                          Kinder, 
                            Alte und Kranke mussten ernährt und versorgt 
                            werden. 
                          Handwerkliche 
                            oder landwirtschaftliche Betriebe mussten weitergeführt 
                            werden.
                          Auch 
                            auf den Äckern hat sich das Bild gewandelt. Frauen 
                            bringen die Ernte ein. 
                            Sie mussten mit den immer schwieriger werdenden Lebensbedingungen 
                            fertig werden. 
                            Dazu kam die Angst und Ungewissheit um den im Felde 
                            stehenden Mann, Bruder, Vater, Sohn oder Bräutigam, 
                            von denen sie nur ab und zu oder gar keine Nachricht 
                            erhielten. 
                          In 
                            unserer Welt gibt es leider immer noch viele Kriegsschauplätze, 
                            die zwar fern von uns sind, von denen uns aber täglich 
                            in den Medien berichtet wird. 
                          Hier 
                            leben wir seit 60 Jahren in einem Land ohne Krieg. 
                            
                            Ob die Gesellschaft heute wirklich in Frieden lebt? 
                            Wohl nur auf den ersten Blick.
                          Denken 
                            wir an Gewalt in Familien, auf Schulhöfen oder 
                            Straßen. Schonungsloser Konkurrenzkampf, Mobbing 
                            und soziale Ausgrenzung, Argwohn gegenüber Menschen, 
                            die anders sind, hinterlassen Unfrieden. 
                          Wir 
                            sollten uns dessen bewusst sein, dass Frieden im Kleinen 
                            anfängt, im alltäglichen Miteinander. Frieden 
                            herrscht dann, wenn wir anderen Menschen ihren Platz 
                            lassen, unsere Mitmenschen in ihrer Andersartigkeit 
                            tolerieren und annehmen können. 
                          Der 
                            Kranz, den wir nun unter dem Klang des Liedes vom 
                            „Guten Kameraden“ an unserer Gedenkstätte 
                            niederlegen, soll sichtbares Zeichen unserer Erinnerung 
                            sein.